Silvester astrologisch gedeutet: Ende = Anfang

An der Wurzel unserer Silvester-Feiern stand der Tod des Papstes Silvester an einem 31. Dezember. Im Zeichen des Steinbocks und der Wintersonnenwende: Wo Abstieg endet, da beginnt Aufstieg.

Abschließen heißt neu anfangen

Astrologische Silvester-Gedanken von Ernst Ott


Jeder Abschluss eröffnet Türen für einen Neuanfang. Jeder Neuanfang negiert aber auch etwas Altes. Nach der astrologischen Philosophie sind Ende und Anfang in stetem Rhythmus miteinander verbunden.
Der heutige Tag feiert mit seinem Namen den Todestag des Papstes Silvester I. Das folgende Horoskop dieses Tages ist sozusagen der Geburtsmoment der Silvesterfeiern.



Die Tierkreisstellungen dieses Horoskops sind stark um die Wintersonnenwende herum gruppiert. Die letzten Grade des Sonnenabstiegs im Schützen sind genauso stark betont wie die ersten Grade des Sonnenaufstiegs im Steinbock. Dem entsprechend leiten die Taten des spätantiken Papstes Silvester einen Abstieg in der Geschichte des Christentums und Europas ein und gleichzeitig einen Neuanfang und Aufstieg.

Silvesters erste Tat ist die Verbreitung des Glaubensbekenntnisses, das am Konzil von Nicäa beschlossen wurde. Dort wurde unter starker Einflussnahme des Kaisers Konstantin das Christentum des Bischofs Arius niedergekämpft. Arius sah nämlich in den Worten Jesu menschliche und göttliche Weisheit, aber kein wörtlich zu glaubendes Dogma. Diese Sichtweise starb mit Silvester, das Christentum der machtvollen autoritativen Dogmen hatte sich durchgesetzt. Nur deshalb konnte Konstantin anschließend die kirchliche Staatsmacht aufbauen. Silvester stand also für einen Abschluss – aus heutiger Sicht für ein bedauerliches Ende eines menschlichen Urchristentums. 
Doch im Lauf der Geschichte – und das lässt immer wieder auf Neuanfang hoffen – ist dieses Glaubensbekenntnis ein ökumenischer Text geworden. Es verbindet Katholiken und Evangelische und fast alle christlichen Richtungen.  „Silvester“ als Symbol heißt immer Tod und Neuanfang gleichzeitig, Schatten und Licht gleichzeitig.

Der 31. Dezember des Jahres 335 n.Chr., der unserer Silvesterfeier den Namen gegeben hat, war begleitet von einer Neumond-Finsternis im Steinbock. Wir sehen diese im nächsten Horoskop:



Das Stellium Ende Schütze und Anfang Steinbock fällt ins vierte Haus: Hier könnte die christliche Familie ein Zuhause finden. Doch gleichzeitig ist es ein beredtes Herrscherhoroskop mit dem Krieger Mars am Berufungspunkt, der bereit ist, Feinde zu vernichten.

Papst Silvesters zweite Tat begann mit einem Aufstieg auf den vatikanischen Hügel und einem Abstieg ins Politische, wie ich anschließend erzählen möchte. Darin spiegelt sich wieder die Häuserachse des Horoskops, wo sich das private und familiäre vierte Haus und das machtbewusste zehnte Haus gegenüber stehen.
Als Papst Silvester auf den vatikanischen Hügel stieg, ließ er das mutmaßliche Grab des Apostels Petrus suchen. Darüber baute er den ersten Petersdom, der zum größten Geistes- und Machtzentrum Europas werden wollte. Persönlich sehe ich darin keinen Aufstieg, sondern eher einen Abstieg des privaten und individualistischen Frühchristentums zur Staatsreligion. Andererseits gehört zur „Silvester-Symbolik“ ja das Umdenken: Aus Abstieg kann wieder Aufstieg werden.  Ich könnte also einen anderen Standpunkt einnehmen: Der Tod des als Staatsfeind hingerichteten Apostels Petrus war Same für einen neuen Glauben und ein neues Europa. Die Idee des Peterdoms, nämlich ein Heiligtum nicht an einem Ort des Sieges zu bauen, sondern an einem Ort der Niederlage, ist provozierend aktuell.

Eine weitere spannende Kombination von Licht und Schatten ereignete sich ein halbes Jahrtausend nach dem Tod des Papstes Silvester. Damals zirkulierte eine Legende, Silvester wäre ein großer Heiler gewesen, er hätte sogar den Kaiser Konstantin vom Aussatz geheilt. Eine lichtvolle Geschichte! Doch dann erfand der Geheimdienst des Kirchenstaates folgende Fortsetzung der Legende: Darauf hin hätte Konstantin der Große, der erste christliche Kaiser, aus Dankbarkeit den Papst zum weltlichen Herrscher gemacht. Die sogenannte „Konstantinische Schenkung“ sollte den Kirchenstaat rechtfertigen, ja dem Papst eine oberste Macht über alle europäischen Herrscher verleihen. Diese im Mittelalter gefälschte Urkunde hatte Jahrhunderte blutiger kirchlicher Machtpolitik zur Folge…

Das Auf und Ab von Licht und Schatten, von Rückschritt und Fortschritt, von Ende und Neuanfang begleitete also den armen Silvester weit über seinen Tod hinaus. Machtvoll hatte er in die Weltgeschichte eingegriffen. Seine Gebeine sind in der Kirche San Silvestro in Capite zur Ruhe gekommen, umweit vom bekannten Trevi-Brunnen in Rom, mitsamt ihrem stimmungsvollen Atrium, in dem noch antike Säulen zu finden sind. Sie stammen von einem Sonnentempel, der vor der christlichen Zeit an dieser Stelle stand. (Bilder am Ende des Artikels)

Die Weltgeschichte mit all ihren Rück- und Fortschritten ist noch lange nicht zur Ruhe gekommen.  Aber da Silvesters Todestag Namengeber für den letzten Tag jedes Kalenderjahres ist, könnten wir diesen Tag zum Anlass nehmen, um uns bewusst zu machen, dass zwar jeder Abschluss einen Neuanfang ermöglicht, dieser Neuanfang aber sofort wieder den Keim des Todes in sich trägt. Denn dem Absteigen folgt ein Aufsteigen, und dem Aufstieg ein Abstieg.

Vielleicht könnte es uns sogar gelingen, gelassen ins  neue Jahr zu gehen, ohne Hoffnungen auf endgültige Besserung – aber auch ohne Furcht vor dem endgültigen Untergang.

 

 

 

 



Bild oben mit dem winterlichen Fenster:   © Visions-AD - fotolia.com

Die übrigen Bilder sind vom Autor


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