Chiron - Bedeutung im Horoskop

Wie können wir die Bedeutung des neu entdeckten Kleinplaneten Chiron erkennen? - Hier erhalten Sie zu diesem Thema ein paar grundlegende Informationen.  - Die astrologische Deutung eines neu entdeckten Planeten bezieht ihre Informationen hauptsächlich aus drei Quellen:
1. die Mythologie
2. Die astronomischen Gegebenheiten, die Anschauung am Himmel.
3. Die Entsprechungen der Zeit, Beobachtungen auf der Erde.

Durch alle drei Ebenen wird versucht, den archteypischen Anteil, der durch den Planeten beschrieben ist, zu verstehen; denn sowohl den Planeten am Himmel als auch den Mythos gab es schon lang, und doch ist es erst mit der konkreten Entdeckung möglich, diesen symbolisierten Teil auch als Wesensmerkmal des Menschen zu entdecken.
Chiron wurde am 1.11.1977 von Kowall entdeckt.

Die Überprüfung und Ergänzung, manchmal auch Revidierung, der Deutungsansätze findet anschließend im individuellen Horoskop statt. Hier wird quasi die Symbolik, die Bedeutung, die geistige Botschaft der gefundenen Beschreibungen gesucht, in wie weit diese Idee sich auch im menschlichen Erleben zeigt.
Ich möchte die drei Erkenntnisebenen  in Bezug auf Chiron kurz erläutern und dann in einem praktischen Beispiel verdeutlichen.

In der Mythologie ist die Gestalt Chirons die einer gespaltenen Persönlichkeit. Er ist halb Pferd, halb Gott, also zur Hälfte triebhaft, instinkthaft, sterblich, zum anderen aber rein, geistig, unsterblich. Ein Bild auch für uns als Menschen in unserem göttlich-vollkommenen und in im  menschlich-unvollkommen Anteil.
Zu Anfang des Mythos verdrängt er zuerst den Teil an sich, mit dem er leidvolle Erfahrungen gemacht hat, seinen Pferdeanteil, und betont den, der Anerkennung verspricht, den göttlichen Teil. Er hat damit Erfolg, gewinnt Ansehen und Achtung.
Er wird zum Lehrer der Göttersöhne und zum Pontifax der wilden, triebhaften Kentauern.
Sicher eine verständliche und nachvollziehbare Reaktion zum Schutz vor weiteren Verletzungen.
Im zweiten Teil des Mythos wird er durch die unabsichtliche Verwundung vom Giftpfeil des Herakles gezwungen, sich genau mit diesem verdrängten Teil zu beschäftigen, mit seinem leidenden Körper.
Vielleicht kennen wir das auch aus eigenen Erfahrungen, daß irgendwann der Moment kommt, wo wir genau in dem Bereich, welchen wir doch so verborgen hatten, getroffen werden und uns nun damit beschäftigen müssen.
Im Mythos wird nicht exakt wiedergegeben, wo ihn der Pfeil traf: am Knie(Saturn), an der Wade(Uranus) oder an der Ferse(Neptun). Aber, zumindest gehe ich davon aus, wird das wohl kein „Zufall“ sein, sondern  eine Bedeutung haben.
Chiron wechselt also die Seiten, bleibt dabei jedoch weiterhin gespalten, denn auch der Versuch, sich durch intensive Beschäftigung von seiner Wunde zu heilen, scheitert.
Er wird ja auch der „verwundete Heiler“ genannt, da er durch seine Forschungen vielen helfen kann. Aber trotz aller Heilkunst leidet er selber weiter unter seinem tierischen Körperteil. 
Erst am Schluß des Mythos überwindet er die Spaltung, indem er Prometheus genau das „opfert“ unter dem er so leidet, nämlich seinen unsterblichen Körper.
Er wird daraufhin nach drei Tagen in der Unterwelt des Hades von Jupiter im Sternbild der Kentauern am Himmel unsterblich gemacht, das meint hier, daß er beide Teile verbindet zu einer Einheit, „heil“ wird.

Schauen wir uns die astronomischen Gegebenheiten am Himmel an.
Chiron ist ein sogenannter Planetoid mit noch nicht genau bestimmter aber geringer Größe (zwischen 100 und 600 km Durchmesser) und hat damit eine Zwitterstellung, nämlich zwischen Planet und Meteorit.
Seine Umlaufbahn liegt zwischen der des Saturns und des Uranus, an seiner erdnächsten Stelle in der Waage bewegt er sich innerhalb der Bahn Saturns.
Seine Bahn verbindet also bildlich die Bereiche des Saturns und des Uranus, baut eine Brücke zwischen den zwei Welten, der des Himmels und der der Erde (Pontifax=Brückenbauer). Er durchbricht sogar die engen Grenzen der saturnischen Realität, „öffnet“ als „Schlüssel“, seinem Symbol, die Tür in der Mauer, damit die geistige Energie des Uranus sich mit der Welt der Formen verbinden kann.

Chirons Symbolik enthält also beide Male das Bild der Spaltung zwischen Körper und Geist, als auch die Überwindung.
Im Mythos war es Tier und Gott, am Himmel sind es Saturn und Uranus als Vertreter dieser beiden Ebenen.

Können wir diese Symbolik seit seiner Entdeckung im konkreten Erleben finden ?
Ich denke ja. Einige Beispiele:
Die rein auf den Körper und seine Funktionen reduzierte Aparatemedinzin wird immer mehr ergänzt durch Heilmethoden, die Geist und Seele mit ein beziehen, wie z.B. die Homöopathie oder Bachblüten. Auch in den Naturwissenschaften ist man an die Grenzen des materiellen Weltbildes gestoßen und es steht wohl ein Paradigmenwechsel bevor.
Immer mehr Menschen suchen in fremden Religionen oder auch in der esoterischen Bewegung wieder den Zugang zu ihrer gesitig-seelischen Seite. Gott war aus der Welt an den Himmel verbannt und damit in ein Jenseits abgespalten. Auch mittels der Symbolik in der Astrologie versuchen viele, die Verbindung zwischen ihrem geistigen Anteil und dem realen Leben herzustellen.
Am Ende vom Fische – Zeitalter, nach 2000 Jahren unter der Herrschaft Neptuns, ist es sicher auch höchste Zeit, die Botschaft der christlichen Lehre anders zu verstehen, um die Spaltung der zwei Welten zu überwinden, um die Einheit herzustellen.

Chirons Deutung im eigenen Horoskop hat also damit zu tun, daß wir etwas in uns „abspalten“, das wir für „unwert“ oder „schlecht“ halten.
Dieser Bereich, dieser Teil ist durch die Häuserstellung Chirons symbolisiert. Hier „öffnet“ der Schlüssel Chirons die saturnischen Formen der „normalen“ Realität, läßt die Energie Uranus eindringen, uns „anders“ sein als die anderen.
Ich möchte die Vorgehensweise bei der Deutung an einem Beispiel aus meiner Praxis demonstrieren, an Chiron im 4. Haus. (Ich habe selbstverständlich das Einverständnis der Klientin)
Der Bereich, in dem sie sich anders fühlt als andere, nicht „normal“ist, ist unter anderem die Herkunft, die Familie. Sie litt unter den „chaotischen“ Verhältnissen zu Hause und schämte sich zu sagen, wer ihr Vater war. Sie selber „schwang“ mit allem und jedem so stark mit, daß sie oft emotional überwältigt war von ihren vielen Empfindungen. Da aber die Mutter so mit sich beschäftigt war, gab es keinen Raum für ein empfindsames Kind. Sie erfuhr nur Ablehnung, wenn sie eigene Bedürfnisse anmeldete.
Sie fühlte sich schon früh verantwortlich für die kleine Schwester, versuchte ihr Halt und Schutz zu geben vor den emotionalen Ausbrüchen der Eltern. Sie nahm sich selber sehr zurück, konnte mit niemanden über ihre verletzten Gefühle reden, wirkte nach außen stark und bekam noch vor der Pubertät die ganze Last der Familiendramatik aufgeladen.
Mit der Zeit hatte sie ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle ganz unter Kontrolle („Flucht“ ins 10.Haus=Gegenhaus von Haus 4 und damit Abspaltung und Vermeidung des betroffenen Bereichs)), hatte auch panische Angst, sich damit zu beschäftigen, bestand doch zu befürchten, daß ein ähnliches „Chaos“ in ihr herrschen würde wie in ihren Eltern. Außerdem hatte sie immer wieder die Ablehnung gespürt, wenn sie ihre Gefühle zeigte und Fürsorge brauchte und damit den Schmerz der Verletzung erlebt.
Und das Leben schien diese Vorgehensweise zu rechtfertigen, denn viele ihrer Bekannten, Kollegen, Freude kamen mit ihrem seelischen Innenleben nicht zurecht und suchten bei ihr Halt und Orientierung. Sie zog solche „lebensuntüchtigen“ Menschen – wie sie sie nannte – wie magisch an. Und wieder „kümmerte“ sie sich um andere. (Pontifax der Kentauern)
Schon früh gründete sie eine eigene Familie, ging nebenher arbeiten, sorgte für die Eltern in ihren häufigen Krisen, unterstützte die Schwester beim Studium und besuchte sie später einmal wöchentlich, als sie in eine psychatrische Klinik eingeliefert wurde.
Auch zu Hause bei Mann und Kindern konnte sie kaum ihre Seele baumeln lassen, denn sie galt ja als die „Starke“, die für andere sorgen kann und selber nichts braucht, und damit „verdiente“ sie sich Anerkennung.
Der Zusammenbruch kam, sie mußte wegen akuter Probleme mit der Gebärmutter ins Krankenhaus. Sie hatte schon Wochen vorher über Erschöpfung geklagt, ohne jedoch die Aufmerksamkeit ihrer Umwelt zu bekommen.
Der Aufenthalt im Bett gab ihr nun endlich Zeit, über sich selber „nach zu fühlen“. Sie machte anschließend eine Therapie und lernte ihre Art der Lebensführung, die demonstrierte Stärke und die Verdrängung des eigenen reichen Seelenlebens,  auf dem Hintergrund der Kindheitserlebnisse zu verstehen.
Der Beruf der Therapeutin faszinierte sie; sie machte eine Ausbildung und kann heute durch ihre besondere Sensibilität und ihr großes Einfühlungsvermögen und wegen ihrer eigener leidvoller Erfahrungen anderen Menschen in einem klaren, abgegrenzten Rahmen von Therapiesitzungen helfen.
(Chiron „schenkt“ Prometheus seinen leidvollen Anteil und wird dadurch selber heil, integriert den abgespaltenen Teil).

Eva Stangenberg


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