Wassermann-Frauen soll man nicht einsperren

Man soll natürlich überhaupt keine Menschen einsperren. Aber da Wassermann-Frauen vielleicht besonders freiheitsbedürftig sind, kann man nachfühlen, wie sich Beatrice Cenci gefühlt hat, als ihr eigener Vater sie einsperrte. Sie hatte Sonne, Merkur, den Deszendenten und Uranus im Wassermann stehen. Am 11. September 1599 starb Beatrice Cenci, und ihre Geschichte soll hier erzählt werden.

In Rom gehe ich gerne in die Kirche San Pietro in  Montorio. Vor dem Altar ist eine Fußbodenplatte ohne Inschrift, darunter liegt die unglückliche  Beatrice Cenci begraben. Sie wurde ohne Priester beerdigt, namenlos hinabgesenkt, wie es der Brauch war für hingerichtete Verbrecher. Zugegeben: Sie hatte ihren Geliebten angestiftet, ihren eigenen Vater zu ermorden, kein Gericht der Welt hätte sie also für schuldlos erklären können. Dennoch gilt ihre blutige Hinrichtung bis heute als Exempel eines ungerechten Urteils.

Der große Maler Guido Reni hat sie angeblich portraitiert, und wenn das fantastische Portrait im Palazzo Barberini wirklich die Beatrice Cenci darstellt, muss sie eine blühende Schönheit gewesen sein mit der Reinheit und Beeindruckbarkeit einer Fische-Venus.

Das Geburtshoroskop zeigt eine lichte Persönlichkeit mit Sonne und Mond in den Luftzeichen. Sie strahlte den natürlichen Adel einer Löwe-Aszendent-Frau aus. Doch den Übergang von der unschuldigen Kinderzeit zur Geschlechtsreife hat sie mit der Intensität einer Venus-Pluto-Konjunktion als Trauma erleben müssen.

Das Mordopfer – ihr Vater - war einer der extremsten Übeltäter im Rom der späten Renaissance gewesen. Obwohl reich und adelig führte er das Prügel- und Gassenleben eines völlig haltlosen Triebtäters der keine verbotene Sexualpraxis ausließ. Nach einigen Prozessen kannte jeder in der Stadt seine Gewalttätigkeiten. Seiner Tochter verbot er aus dem Haus zu gehen. Er verbot ihr die Heirat. Er sperrte sie ein. Er misshandelte sie.

Wie sehr ein freiheitsdurstiges Wassermann-Mädchen darunter litt, eingesperrt zu sein, braucht nicht betont zu werden. Als junge Frau mit Venus-Pluto-Konjunktion im 8. Haus empfand sie die herabwürdigenden Missetaten ihres Vaters in tiefster Seele als tödliche Verwundung, die sie nie vergessen konnte.
 
Die Zeitgenossen sahen voller Mitgefühl auf die Nöte der Beatrice Cenci und reagierten auch mit einem gewissen Verständnis, als sie in ihrer Verzweiflung zum Äußersten schritt. Das Volk und auch die meisten Adeligen waren der Meinung, dass es sich um Notwehr gehandelt habe und der Vater die eigentliche Ursache des Dramas gewesen war. Doch die päpstlichen Richter sahen keine mildernden Umstände, sie interessierte nur, dass Beatrice eine reiche Erbin war. Ihr Vermögen durfte nach einer Verurteilung von der Schatzkammer des Vatikans eingezogen werden. Folgerichtig lehnte Papst Clemens trotz der Bittgesuche von allen Seiten eine Begnadigung ab. Man erpresste Beatrice unter der Folter ein Geständnis und ließ sie vor dem Castel Sant’Angelo, der Engelsburg, durch den Scharfrichter enthaupten.

Der laufende Saturn ging damals gerade über Beatrices gerechtigkeits-durstigen Waage-Mond. Die Hinrichtung geschah in ihrem 23. Lebensjahr, an einem 11. September. Dieses Datum ist auch in der Erinnerung unserer Generation bei vielen schmerzhaft besetzt durch den blutigen Militärputsch in Chile am 11. September 1973 oder durch die Attentate des „Nine eleven“ von 2001.

Auch ohne das anrührende Portrait-Gemälde Guido Renis wäre Beatrice Cenci in den Herzen der Menschen in Erinnerung geblieben. Sie hatte sich gewünscht, in San Pietro in Montorio „zur ewigen Ruhe“ gebettet zu werden. Es ist zu hoffen, dass sie in der geistigen Welt ihren Frieden gefunden hat. Der Ort Ihres Grabes ist jedenfalls voller Frieden. Damals glaubte man noch, dass hier die Stelle des Petrus-Grabes sei (daher der Name „San Pietro“). Am Hang des zauberhaften Gianicolo-Hügels wie in einem Paradiesgarten gelegen träumt diese Kirche vor sich hin. Besonders im Morgenlicht zwitschern dort ganze Vogelscharen, die Zikaden singen. Von der Terrasse aus blickt man in Ruhe über die Kuppeln und grünen Hügel des sonst so lauten Rom; seine Geräusche dringen nur gedämpft hier herauf. Man atmet durch und blickt gelassen auf diese ewige Stadt voller Geschichten und Mythen, welche zuletzt Heilige und Mörderinnen in der gleichen Erde ruhen lässt.

 


Bild: Die Kirche San Pietro in Montorio vom Aventin aus gesehen.
Foto von Peter1936F - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, commons.wikimedia.org/w/index.php

Dieser Artikel erschien erstmals 2018 im Meridian-Magazin meridian-magazin.de


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