Tarot Karten selber deuten lernen

von Ernst Ott

Wer es nicht gelernt hat, zieht eine Karte und liest in einem Buch nach. Damit ist er in der Position einer der beiden knienden Figuren auf der Trumpfkarte 5 „Der Hohepriester“ (hier in der Fassung des Osald-Wirth-Tarot).  Er lässt sich nämlich von einer Autorität sagen, was seine Karte zu bedeuten habe.  Vielleicht hat er sogar das Buch von einem bedeutenden Tarot-Experten zur Hand oder bucht eine Beratung bei einer Berühmtheit, die er für den „Tarot-Papst“ hält...

Das Ziel des Lernprozesses ist es, selber zur deutenden Autorität zu werden, also zum Hohepriester. Doch zuvor gilt es, aus  seinem Schüler-Dasein das Beste zu machen.

Auf dieser Abbildung sieht man zwei Zuhörer, die verschieden reagieren. Beide sind wir selber, jeder stellt eine andere Möglichkeit dar, das Wort der Autorität zu verarbeiten: gläubig oder kritisch, annehmend oder hinterfragend.  Wir können das Gesagte einfach umsetzen oder es weiterentwickeln und vielleicht sogar zu einer gegenteiligen Meinung über die Bedeutung der Karte kommen. Ohne eigene Meinung und ohne weiterdenkende Haltung gegenüber dem Lehrer kann kein Mensch Tarot lernen.

Dann erst, durch ständiges Vergleichen von vier Ebenen, lernen wir selber zur Deutungs-Autorität zu werden. Die vier Ebenen sind:
1. das vorgegebene Bildsymbol
2. die angebotene Deutung
3. das eigene Gefühl dazu
4. das konkrete Leben und die Entwicklung der Sache, zu der ein Kommentar der Tarot-Karte geholt wurde.

Wenn wir uns sicherer fühlen, können wir schließlich selber zum Deutungsexperten werden. Es ist dann nur zu wünschen, dass wir uns nicht als unfehlbare Päpste aufspielen. Vielmehr, dass wir sensibel wahrnehmen, wie Klienten unsere Deutung aufnehmen und ihnen Eigenständigkeit zugestehen.

Ich wünsche allen – mit oder ohne eine Tarot-Ausbildung – viel Freude beim Lernen der Deutungskunst.


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