Sonne und Mond - Astrologie der Kelten

Einundzwanzig Jahre dauerte die Ausbildung der keltischen Druidinnen und Druiden. Neben Philosophie und religiösen Inhalten gehörte zum Studium vor allem die Astrologie. Dies ist durch Julius Caesar und andere römische Zeitgenossen sicher bezeugt. Doch leider schrieben die Kelten ihre Erkenntnisse nicht auf. Zwar waren sie bestens vertraut mit griechischer Schrift und allen Kulturtechniken der antiken Welt. Doch sie hatten eine heilige Scheu, ihre spirituellen Erkenntnisse zu fixieren.

So wissen wir über die geistige Welt der Kelten sehr wenig. Es muss jedoch eine Hochkultur erster Güte gewesen sein. Dies bezeugt nicht nur die lange Ausbildung der geistigen Eliten, der Druidinnen und Druiden, sondern auch die historische Leistung der Kelten: Das keltische Jahrtausend (von ca. 1000 v. Chr. bis etwa zum Jahr 0) brachte ein friedlich geeintes Europa hervor, in welchem unterschiedliche keltische Kulturen von Spanien über Mitteleuropa bis in die heutige Türkei hinein vereint waren. Sie trieben regen Handel, beherrschten eine extrem hohe Bergwerks- und Metall-Technologie und scheinen kaum Standesunterschiede zwischen Männern und Frauen gekannt zu haben.  Alle diese zahlreichen regionalen Kulturen mit ihren sprachlichen Besonderheiten wurden einzig und allein zusammengehalten durch das geistige Band der keltischen Lebensphilosophie, welche die Druidinnen und Druiden verkörperten.

Wir wissen, dass dazu eine gemeinsame Sprache der Bilder und Symbole gehörte, ferner die astrologische Symbolik und der unerschütterliche Glaube aller Kelten an das Rad der Wiedergeburt, worüber der materialistische Skeptiker Julius Caesar immer wieder mit Unverständnis und ironischer Distanz berichtete.

Auch wenn wir die Astrologie der Kelten nicht im Einzelnen kennen, können wir doch deren Symbolsprache bewundern. Hier folgen zwei Beispiele.




Zweier- und Mondsymbolik:


Die zwei Hörner des Mondes, die zwei gegensätzliche Gefühle der Freude und Trauer, die Begegnung von Tag und Nacht, dies war den Kelten eine hautnahe Selbstverständlichkeit, und so trugen sie diese Aussage als Schmuck auf der Haut: Fast alle Kelten - zumindest während der Latène-Epoche - trugen den Torques. Das war ein offener Halsring, der stets mit zwei betonten Enden versehen war, um die Polarität des Lebens auszudrücken. Die beiden Pole nähern sich jedoch im Kreis zyklisch an.

Die beiden Enden waren auf der Höhe des Hals-Chakra jederzeit zu fühlen, der verbindende Kreis jedoch legte sich schützend um den Nacken.

Sonnensymbolik:

Gehen Sie in ein beliebiges Museum der Ur- und Frühgeschichte, Sie werden überall die Sonnensymbolik finden. Sehr klar erkennbar ist immer das Sonnenrad mit vier Speichen, das Sonnenjahr mit den vier Wendepunkten symbolisierend. Oft erscheint die Sonne wie das Symbol auf den heutigen Horoskopzeichnungen: Kreis mit Punkt in der Mitte. Da Gold das Metall der Sonne ist, findet man es besonders häufig bei Goldschmuck wie in dem neu entdeckten Grab einer keltischen Druidin oder Fürstin aus dem Grabhügel von Herbertingen-Bettelbühl. (Siehe Bild ganz oben)

Die Sonnenkugel mit Zentrums-Punkt ist von zwölf kleinen Kugeln mit Punkt umgeben, für jeden Abschnitt des Sonnenjahres einen. Denn auch die einzelnen Tierkreiszeichen sind Kinder des Sonnen-Ganzen und gleichen ihm. Das Bild ist stark vergrößert, das Original höchstens 2 oder 3 cm groß, eine perfekte sehr filigrane Arbeit.  Solche Spitzenprodukte hochkarätiger Goldschmiede-Kunst gab es in jener Zeit nur bei Etruskern oder den Kelten.

Bei den Kelten lohnt es sich stets, noch ein zweites Mal hinzuschauen: Die einzelnen Sonnenkreise – obwohl sie wie Kugeln wirken – sind eigentlich Halbkugeln oder kleine Schalen mit einem weiteren Kugelpunkt auf ihrem Grund. Die halbierten Sonnen verweisen wieder auf die Zweiersymbolik des Mondes. Denken wir nur daran, dass auch der Halbmond am Himmel als halbierter Kreis erscheint. Demnach verweist dieser sonnenhafte Goldschmuck in vertiefter Deutung gleichzeitig auf die Dialektik Sonne-Mond oder Licht-Schatten.  Denn Schalen sind immer Mond-Symbole. Die keltische Kunst hat stets bei genauerem Betrachten noch eine tiefere Dimension.

Ich bin mir sicher dass in der Druidenausbildung anhand solcher Symbole über die Gesetze des Lebens und des Kosmos diskutiert wurde: Da verwandelt sich eine Kugel in eine Halbkugel, eine Sonne in einen Mond, und der Mond enthält in seinem Zentrum wiederum eine neue Sonne.  Der ewige Wandel des Lebens! Kein Wunder, dass auch in der gegenständlichen keltischen Kunst Wandlungsmotive eine Hauptrolle spielen. Dort verwandeln sich dann Wasser-Tiere in Sonnentiere und umgekehrt; Menschen verwandeln sich wie im Schamanismus in Tiere und Tiere in Götter - und letztlich geht alles ineinander über. In der keltischen Ornament-Kunst wimmelt es von Mäander-Bändern und Spiralen, die sich nach außen und nach innen drehen und stets neue Ebenen und Dimensionen erschließen.

Ernst Ott


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