Sommer-Sonnenwende, Johannistag - der Gegenpol zu Weihnachten

24. Juni: Johannistag.

Über die Symbolik der Sommersonnenwende und die Dialektik von Licht und Schatten. Ein Artikel von Ernst Ott

Es gibt eine Merkwürdigkeit im Kreis der Jahresfeste, die ja meist ihren Hintergrund im Sonnenlauf haben, bzw. in den Jahreszeiten: Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass wir das Fest des Lichts an Weihnachten feiern, wenn es besonders dunkel ist? Es ist ja die Zeit der langen Winternächte. Wir feiern in der Steinbock-Zeit nämlich nicht das Vorhandensein von Licht, sondern die Hoffnung auf Licht. Wir feiern die Tatsache, dass in der dunkelsten Nacht der Aufstieg des Sonnenjahres beginnt. Ab Weihnachten wird das Tageslicht täglich etwas länger.

Genau so paradox und dennoch verständlich ist es, dass das Mond-Zeichen Krebs am längsten Tag beginnt. Die nächtlichen Gefühlstiefen des Krebses, die magischen Mittsommernächte verweisen auf den Beginn des Abstiegs der Sonne, bei der Sommersonnenwende (bei 0° Krebs), sobald die Sonne ihren Höchststand überschritten hat.  C.G. Jung wies einmal darauf hin, dass symbolisch gesehen mit dem Mittagsschlag die Nacht beginnt. So beginnt auch am hellsten Tag der Abstieg der Sonne Richtung Winter. Mitten im Leben sollten wir den Tod bedenken. Mitten im größten Erfolg beginnt der Abstieg zum Ende. Liebhaber des Tarot denken dabei an die zentrale Karte Nummer 10 „das Rad“.

Wenn am 24. Juni der Johannistag gefeiert wird, so ist das genau ein halbes Jahr vor Weihnachten. Der Aufstieg der Sonne ist beendet und der Abstieg beginnt. Der 24. Juni fiel übrigens nach dem antiken Kalender genau auf die Sonnenwende bei 0° Krebs, und der 24. Dezember fiel damals auf 0° Steinbock.

Der Johannistag hat seinen Namen vom Geburtstag des Johannes im neuen Testament (Johannes Baptista). Dieser jüdische Prediger taufte Jesus zu Beginn von dessen Wirken. Dabei sprach Johannes ein prophetisches Wort über den kommenden Messias: „Er muss wachsen, ich muss kleiner werden.“ (Johannes-Evangelium 3,30). Diese bildhafte Aussage ist rein astrologisch gedacht und nur astrologisch zu verstehen: Ich bin in der Krebs-Zeit geboren, und wie die Sonne ab jener Zeit abnimmt, so auch mein prophetischer Auftrag. Johannes war nur dazu da, um auf die Bedeutung Jesu hinzuweisen. Dessen Bedeutung wuchs dann in der Tat, und bald bezeichnete man Jesus als den neuen Sonnengott oder „die neue Sonne der Gerechtigkeit“.  

So war es nur logisch, dass man ein paar Jahrhunderte später den Geburtstag Jesu in der Steinbockzeit zu feiern begann, an der Wintersonnenwende. Mit seiner Geburt beginnt für Christen der Aufstieg. Daher stehen die Geburtstage von Johannes und Jesus sich im Tierkreis gegenüber. Sie symbolisieren die Opposition von Krebs und Steinbock. Die Sonnwenden sind jeweils der Beginn des Aufstiegs und Abstiegs des Sonnenjahres.

Bei Leonardo da Vinci weiß Johannes schon als Krebs-Kleinkind, dass er auf Jesus hinweisen muss. In da Vincis „Felsengrotten-Madonna“ im Louvre sehen wir rechts unten den Johannesknaben, der zusammen mit einem schönen Engel in deutlichen Hand-Gesten auf das Jesuskind hinzeigt, welches links etwas höher dargestellt ist: „Er muss wachsen, ich muss abnehmen“. Die Geste des Johannesknaben nutzt Zeige- und Mittelfinger für seinen Hinweis. Handleser würden sagen den Jupiter- und den Saturn-Finger. Die beiden gesellschaftlichen Planeten sind es also, die auf die kollektive Bedeutung Jesu hinweisen. Gleichzeitig ist es eine Art Segensgeste.

Wir können in der Nacht des Johannistags auch einfach ein Johannisfeuer anzünden und damit an den Kreislauf des Lichts und des Sonnenjahres denken. Aber ist es nicht schön zu sehen, welch sinnreiche Bilder das Christentum gefunden hat, um diese Natur-Wahrheit anschaulich zu machen?


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